(Unter „Hütte“ ist gemeint das kenianische Parlament.)
Bericht von Wolfgang und Inge Lutz
Liebe Freundinnen und Freunde von UBUNTU,
nachdem wir 5 Wochen in KASUNA/KENYA vor Ort waren, um unser Projekt voranzubringen, haben sich die politischen Verhältnisse schlagartig zum Negativen geändert. Viele Menschen, vor allem Jugendliche, gehen auf die Straßen und demonstrieren gegen das politische Lager von Präsident Ruto. Es sind die geplanten Steuererhöhungen auf Lebensmittel, Hygieneartikel, Treibstoffe, die besonders die Menschen treffen, die sowieso schon unter dem Existenzminimum leben müssen. Die gigantische Staatsverschuldung und die damit verbundenen Zinszahlungen an die Geldgeber wie IWF und vor allem China bringen das Land in den Bereich des Bankrotts. Der Zorn des Volkes richtet sich aber auch besonders gegen die Korruption im Lande und die Regierung, die dagegen nicht vorgeht, sondern diese als Hebel benutzt, um sich selbst weiter zu bereichern. Die Perspektivlosigkeit der jungen Menschen im Berufsleben und die damit verbundenen Schwierigkeiten, um z.B. eine Familie zu gründen, treiben immer mehr Menschen auf die Straße.
Diese extrem angespannte politische Situation wird noch verstärkt durch Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Dürren im Wechsel. Die Wassermassen in den letzten Monaten haben besonders die Slums Mathare und Kibera in Nairobi getroffen, wo jeweils 200.000 bis 400.000 Menschen leben unter schwierigsten Verhältnissen. Die erbärmlichen Hütten wurden regelrecht weggeschwemmt, die Menschen stehen wieder einmal vor dem Nichts.
Unser Projektdorf Kasuna befindet sich Gott sei Dank abseits dieser großen Demos, bei denen es ja schon Tote gegeben hat. Die Überschwemmungen in Ombaka, die Inflation und die damit verbundenen hohen Lebensmittelpreise betreffen aber auch uns. Trotzdem können wir sagen, dass die Menschen in Kasuna und Ombaka durch UBUNTU eine große Stütze haben. Es ist die Schulspeisung für ca. 1.200 Schulkinder in beiden Orten und ca. 200 Kindergarten-Kinder in 3 Einrichtungen, die die Familien enorm entlasten, was die Nahrungsmittelkosten betrifft. Unser Kinderheim Dubai hat im Augenblick ca. 50 Waisenkinder, Halbwaisen oder Kinder aus prekären Familienverhältnissen aufgenommen. 20 Kinder wurden aus Ombaka evakuiert, weil die Hütten zerstört sind. Sie bekommen Unterricht durch 4 von uns engagierte Lehrer, Unterkunft, Essen, Uniformen. Der Kindergarten von Madam Conny wurde in unserer Berufsschule integriert: anfangs waren es 70 Kinder, jetzt sind wir bei 100 Kindern angelangt und müssen leider einen Stopp einlegen, es fehlt ganz einfach der Raum. Madam Conny, die Leiterin und ihre 3 Assistentinnen sind sehr aktiv, wir haben Lehrmaterialien organisiert, die sehr rationell genutzt werden, die Gruppen singen und tanzen – es war für uns ein Genuss, das zu beobachten.
Ein großes Problem in Kenia ist die Versorgung von Kranken. Es gibt zwar eine Krankenversicherung; diese kostet ungefähr 5 € /Monat. Das ist für viele Menschen zu teuer und sie deckt nur ungefähr 10 – 15 % der Kosten ab. Bei einer Behandlung im Krankenhaus müssen alle Leistungen im Voraus beglichen werden, das heißt: Behandlung nur gegen Bezahlung. Viele Menschen gehen deshalb nicht zum Arzt, weil sie es sich nicht leisten können. Viele Patienten kommen deshalb erst dann zu UBUNTU, wenn es eigentlich viel zu spät ist. Ein aktuelles Beispiel ist Bernhard (Name geändert): Sein Bein ist infiziert und ulzeriert, es droht eine Sepsis. Trotz einer OP mit Reinigung (Debridement) der riesigen Wunden musste das Bein letztendlich amputiert werden. Wäre der Patient sofort zu uns gekommen, hätten wir eine Wundversorgung mit Desinfektion und Verbandwechsel durchgeführt, das Bein hätte sicher gerettet werden können. So ist wenigstens sein Leben gerettet.
In diesen auch in Kenya sehr schwierigen Zeiten ist UBUNTU ein Segen für die Menschen in Kasuna und Umgebung. Wir leisten vor allem „Erste Hilfe“ für Menschen, die unter dem Existenzminimum leben müssen und die vom Staat keine Hilfe erwarten können. Die Zeit, die wir immer wieder vor Ort verbringen dürfen, verändert auch uns: Wir sehen, wie privilegiert wir in unserem Land leben mit all unseren Sozialeinrichtungen – den Renten, den Leistungen des Staates in Infrastrukturen wie Schulen, Hospitälern, den Krankenversicherungen usw. Umso schwerer fällt es uns, die Menschen zu verstehen, die hier in unserem Land unzufrieden sind und sich permanent beklagen und jammern und nach dem Staat rufen um Subvention.
Auf der anderen Seite sehen wir die vielen Menschen in Deutschland, die UBUNTU unterstützen, die Empathie zeigen für Menschen ohne Perspektive, das Leben ihrer Familien irgendwie in den Griff zu bekommen. Das ist ein gutes Zeichen auch für unsere Demokratie, die wir global betrachtet auch, als ein System der Teilhabe aller Menschen an einem Leben in Würde zu sehen haben. Das erfüllt uns und unsere Freunde in Kenya mit großem Dank! Deshalb müssen wir die Demokratie auch mit allen Mitteln verteidigen. Sie war noch nie so stark gefährdet wie im Augenblick! Wir sehen, die Baustellen befinden sich nicht nur in der sogenannten Dritten Welt, sondern auch bei uns im eigenen Haus.
So schauen wir trotz aller Schwierigkeiten sehr zuversichtlich nach vorne. UBUNTU hat dank Ihrer Hilfe vieles bewirkt und deshalb gehen wir mit Schwung unseren Weg mit Ihnen weiter.